40 Jahre sind ein guter Grund zum Feiern!
5. August 2024
40 Jahre sind ein guter Grund zum Feiern: Der Offene Kanal Ludwigshafen
Ein Erlebnisbericht von Angelika Jaenicke
Was am 1. Januar 1984 in der Turmstraße 8 in Ludwigshafen begann, wurde 40 1⁄2 Jahre später, nämlich am 28. und 29. Juni 2024, in der Turmstraße 10 gefeiert.
Das Gebäude Nr. 10, 1991 als Media Carré errichtet, beherbergte bis vor zwei Jahren unterschiedliche Medienorganisationen. Nun ist es Eigentum der Medienanstalt Rheinland-Pfalz, aktuell noch ziemlich Baustelle, aber im September soll die Fertigstellung mit einem Tag der Offenen Tür begangen werden. Und am 1. Januar 2025 wird, so der Plan, der Offene Kanal Ludwigshafen aus der Prinzregentenstraße direkt neben den Standort seiner Geburt zurückgekehrt sein.
Die Feier zum 40. Geburtstag fand im Freien statt, denn zur Turmstraße 10 gehören nicht nur unverschämt viele Parkplätze vor dem Gebäude (den zahlreichen Vormietern geschuldet), sondern auch ein wunderschöner und ziemlich großer Hinterhof. Eine überdachte Bühne, Stuhlreihen davor und Biergartengarnituren unter Bäumen setzten gutes Wetter voraus, denn einen Plan B gab es angeblich nicht.
Petrus war nicht nur gnädig, er meinte es besonders gut: Es war einfach sehr, sehr warm. Weil es aber ausreichend kühle Getränke gab, tat die Temperatur der guten Stimmung keinen Abbruch.
Der Freitagnachmittag begann damit, dass der künftige Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, aktuell noch Minister für Arbeit, Soziales, Transformation und Digitalisierung, Alexander Schweitzer, an 27 Absolventen des Ausbildungsgangs „Bürgerjournalismus“ die Zertifikate überreichte. Sein Ministerium fördert das Projekt, in dem seit Oktober 2023 an den Standorten Mainz, Neuwied und Speyer Menschen, die sich im Übergang von Beruf zu Rente oder in Rente befinden, zu ehrenamtlichen Journalisten ausbilden lassen. Das Ziel: Noch mehr lokale Themen zur Veröffentlichung und zur Vertiefung in die Offenen Kanäle zu bringen.
„Sommerfest, Grillen & Chillen“ steht in der Einladung für den Rest des Tages, und außer Grill und Chill gab’s noch ein wunderbares Konzert von Hanne Kah, die vor etlichen Jahren einen Bürgermedienpreis gewann und deshalb den Offenen Kanälen verbunden ist.
Mit der Mitternachtsvorführung des Films „Hiwwe wie Driwwe“ (siehe ganz unten) begann der Samstag, der um 10 Uhr, wieder im Freien mit wenig Schatten und wieder guten Temperaturen fortgesetzt und von Leontina Klein, KIKA (früher OK Mainz), moderiert wurde. Im Laufe der zwei Stunden Programm bis zur Mittagspause rutschten die Stühle der ersten Reihe, allesamt mit VIPs besetzt, immer ein Stückchen weiter in den kleiner werdenden Schatten der Bühne. Die Reihen dahinter harrten aus oder wurden nach und nach fluchtartig verlassen in die wenigen Schattenregionen.
Zum diesjährigen Motto des OK-Tags „Offene Kanäle – einfach unverzichtbar“ gab es zu Beginn eine Gesprächsrunde mit Jutta Steinruck, Oberbürgermeisterin von
Ludwigshafen, und Albrecht Bähr, Vorsitzender der Versammlung der Medienanstalt Rheinland-Pfalz.
Frau Steinruck erinnerte sich an Diskussionen in ihrem Elternhaus, das ab Januar 1984 zu den am Kabelpilotprojekt teilnehmenden ersten 2000 Haushalten zählte. Gegner und Befürworter habe es in ihrer Familie gegeben, die Eltern skeptisch, sie und Schwester sehr dafür. In ihrer jetzigen Funktion sei sie einfach nur stolz darauf, den ersten deutschen Offenen Kanal in ihrer Stadt zu haben.
Albrecht Bähr, sowieso (wie die Schreiberin dieses Berichts meint) ein Fan der Offenen Kanäle, hob die Funktion der OKs als Botschafter lokaler Kultur hervor, womit sie zur Stärkung der Demokratie einen bedeutenden Beitrag leisteten. Er unterstrich die Unverzichtbarkeit mit den wichtigen Funktionen Teilhabe, Verortung in der Heimat und Medienbildung. Den Erfolg verdankten die Einrichtungen den tollen Menschen, die in den Offenen Kanälen arbeiten: Sie seien aufgeschlossen für alle Menschen, wüssten genau, welche Themen zu welcher Zeit gesetzt werden sollen, und sie seien immer kreativ.
40 Jahre rückwärts schaute die nächste Gesprächsrunde, die von einem eingespielten Grußwort eingeleitet wurde: Dr. Bernhard Vogel, Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz von 1976 bis Ende 1988, hatte die Offenen Kanäle Neustadt/Weinstraße, Schifferstadt und Worms eröff- net. Er grüßt die Offenen Kanäle und drückt seinen Dank all denjenigen aus, die der damaligen Idee zum Erfolg verholfen haben.
Die „Altvorderen“ Angelika Jaenicke, seit 1978
eng mit der Entstehung und Entwicklung Offener
Kanäle verbunden, Peter Münch, Mitgründer und
Geschäftsführer des OK Südwestpfalz, und Peter Basler, Vorsitzender des OK Neustadt/Weinstraße, des ersten Vereins nach dem Kabelpilotprojekt, gaben kurze Einblicke in „Wie es damals war“. Und wie war es damals? Wie fing es überhaupt an?
Die Bundeszentrale für politische Bildung begann schon 1978, den Weg dafür zu bereiten, dass Offene Kanäle in den Kabelpilotprojekten eine Chance bekamen. In den 80er Jahren finanzierte sie Meinungsumfragen, Projekte und Werkstätten Offener Kanal, in den 90er Jahren einen Wettbewerb und die ersten bundesweiten Publikationen, und seit 2004 plädiert der Präsident der Bundeszentrale, Thomas Krüger, mit schöner Regelmäßigkeit und sehr engagiert für Bürgermedien. Dies berichtete An- gelika Jaenicke. Peter Münch erinnerte sich, dass die Anfänge nicht immer einfach gewesen seien: Nicht alle Menschen vor Ort waren damals begeisterte Fans, aber die Politik im Land und vor Ort hat geholfen, die Offenen Kanäle zu dem zu entwickeln, was sie heute sind, nämlich unverzichtbar. Auch Peter Basler unterstrich die Bedeutung des Offenen Kanals Neustadt/Weinstraße: Das ehrenamtliche Engagement im ersten ehrenamtlich getragenen OK sei ungebrochen, und die Stadt wäre ohne ihn um einiges ärmer.
Zu Beginn ihres Festvortrags überbrachte Staatssekretärin Heike Raab die Glückwünsche von Ministerpräsidentin Malu Dreyer und erläuterte anschließend die Aktivitäten der Rundfunkkommission der Länder in Bezug auf Jugendmedienschutz, Digitalisierung und Rundfunkfinanzierung. Auch sie bekundete ihre Verbundenheit mit den Offenen Kanälen, indem sie betonte, dass Rheinland-Pfalz mit dem Bürgerfernsehen „ein einzigartiges, vielfältiges, lokales und nichtkommerzielles Medienangebot“ habe. Und sie dankt den vielen Ehrenamtlichen, die mit ihrem Engagement Vielfalt sichern und mediale Teilhabe gewährleisten.
Mit einem Blick in die Zukunft ging es weiter mit Martina Stöppel, OK-Vorsitzende in Mainz, Markus Merkler, OK-Vorsitzender in Haßloch und im Landesverband, und Jean-Luc Busch, OK-Vorstandsmitglied in Worms. Was braucht es, um die nächsten Jahrzehnte zu meistern, war die Frage.
Der Jüngste der Runde, Jean-Luc Busch, meinte nahezu verzweifelt, dass es eigentlich unglaublich sei, überall noch nach Nachwuchs suchen zu müssen, es sei doch ein Geschenk, einen Offenen Kanal zu haben. Noch mehr PR, noch mehr Zugehen auf Menschen sei nötig, sonst verliere man das Geschenk. Markus Merkler freut sich über die kollegiale Zusammenarbeit von Landesmedienanstalt und Landesverband und weist auf Projekte der nahen Zukunft hin, nämlich die in der Agenda 22+ fest- geschriebenen, allen voran die landesweite Mediathek. Für Martina Stöppel ist die Zukunft der OKs eine sichere Sache, denn die Vielfalt in Rheinland-Pfalz habe auch bisher alle Hürden genommen.
Zur anschließenden Verleihung des Bürgermedienpreises gibt es nicht nur viele Pressemitteilungen, sondern auch die Aufzeichnung – siehe ganz unten. Wer es genau wissen und die Preisträger erfahren will, kann nachlesen unter https://medienanstalt- rlp.de/service/presse/pressemitteilungen/detail/ok-tag-2024-rheinland-pfalz-feiert-40- jahre-offene-kanaele
Erwähnt werden muss aber an dieser Stelle ganz unbedingt, dass es diesmal ein ganz besonderes Jury-Mitglied gab: Kurt Beck, Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz von 1994 bis 2013, hat in dieser Funktion (wenn die Chronik der Autorin stimmt) zehn Offene Kanäle in seinem Land eröffnet. In diesem Jahr vergab er den Sonderpreis „40 Jahre Offene Kanäle – Einfach unverzichtbar“ an den Offenen Kanal Kaiserslau- tern für das Projekt „Oberbürgermeisterwahl 2023“.
Ganz pünktlich zu High Noon dankte der Direktor der Landesmedienanstalt, Dr. Marc Jan Eumann, allen Gästen fürs Kommen und sehr viel mehr allen Mitwirkenden am Gelingen der Veranstaltung. Er verkündete, dass der nächste OK-Tag in Bitburg statt- finden wird, dass es neben dem Media:TOR in Speyer demnächst den Media:TURM in Ludwigshafen und dann ein mediales Begegnungszentrum in Trier geben werde. (Der Vorschlag der Autorin „Media:PORTA“ wird abgelehnt, Einsilbigkeit ist gefragt.) Die Eröffnung in Ludwigshafen findet am 27. September statt.
Nach der Mittagspause ging es um 14 Uhr weiter mit ernsthafter Arbeit: Zwei aufeinanderfolgende Panels informierten über aktuelle und zukünftige Projekte.
In Panel 1 ging es um die Agenda 22+, die von Lukas Herzog vorgestellt wurde, um das Projekt Bürgerjournalismus, das Michelle Olle präsentierte, und um einen Ort der
medialen Teilhabe, nämlich den OK Ludwigshafen, der an seinen Geburtsort zurückkehren wird.
Der aktuellste Punkt in dem Maßnahmenpaket Agenda 22+, das vier Punkte umfasst, sei die Einrichtung einer eigenen Cloud, also weg von YouTube und hin zu vereinfachten Zugängen, vereinfachten Uploads, zentralisiertem Playoutcenter für alle OKs und irgendwann einer neuen Verwaltungssoftware, die OK-Office ablöst. In fünf Jahren wird das Ziel erreicht sein, versprach Lukas Herzog.
Das Projekt „Bürgerjournalismus“, das bereits am Freitagnachmittag mit dem zukünfti- gen Ministerpräsidenten auf der Bühne eine Rolle spielte, wurde von Michelle Olle im Detail vorgestellt, denn der geheime Plan sei schon, das Projekt auf weitere Standorte auszuweiten.
Hinter dem Titel „Ort der medialen Teilhabe“ verbarg sich die Zukunft des Offenen Kanals Ludwigshafen: Seit bald 40 Jahren ist sein Sitz die Prinzregentenstraße 48, aber nun soll er zurück nach Hause, und was an Raumplanung dafür in Arbeit ist, zeigt Björn Bretschneider, der auch die Nachfolge des noch amtierenden OK-Leiters Wolfgang Ressmann antreten wird. Es gibt übrigens ein Verbindungsglied zwischen den Räumlichkeiten: Die Wendetreppe in dem ehemaligen Bankgebäude in der Prinzregentenstraße führte hinunter in den Tresorraum. Die Wendeltreppe in der Turmstraße 10 führt hinauf in den Offenen Kanal.
Zum Panel 2 kamen nur noch die, die es wirklich wissen wollten. Alle anderen hatten wegen der Unwetterwarnungen (Starkregen, Orkan …) doch lieber die Heimreise angetreten. „Digital in die Zukunft“ hieß es, und es ging um Fortbildungsangebote für Ehrenamtliche, die im Rahmen des Projekts „Digital in die Zukunft“ von Christian Kleinhanß und Markus Horn vorgestellt wurden. Das von der Leitstelle Ehrenamt und Bürgerbeteiligung in der Staatskanzlei verantwortete Projekt wird von Medien und Bil- dung RLP umgesetzt, einer Tochter der Landesmedienanstalt. Zielgruppe sind alle ehrenamtlich tätigen Organisationen, Verbände, Kommunen und Menschen, und sie können an Online-Fortbildungen teilnehmen, den digitalen Werkzeugkasten nutzen, am Ideenwettbewerb „Ehrenamt 4.0“ teilnehmen, gezielte Maßnahmen für die eigene Klientel anfordern und an 15 Standorten im Land das jeweils regionale Fortbildungsangebot und die Ausleihe von Technik nutzen. Das umfangreiche Angebot ist abrufbar unter www.wir-tun-was.rlp.de
Wer die komplette Vormittagsveranstaltung anschauen möchte, findet die von einem Team des Offenen Kanals Mainz live gesendete Aufzeichnung unter https://www.youtube.com/watch?v=fxDxxNz7L10 – viel Spaß beim nachträglichen Dabeisein.
Nachtrag zu „Hiwwe wie Driwwe“: Alle Uneingeweihten fragen sich natürlich, was der Film außer Dialekt mit Offenen Kanälen zu tun haben könnte. Ganz viel, denn der Filmemacher Benjamin Wagener ist ein „OK-Gewächs“: Gestartet im Offenen Kanal Landau, dann als Medienpädagoge tätig fürs Bildungszentrum BürgerMedien und für (damals hieß es) medien&bildung.com. Der Film ist bereits der 2. große Kinoerfolg nach „Hiwwe wie Driwwe – Pfälzisch in Amerika“.